DANKE DEUTSCHLAND

HỘI NGỘ và TRI ÂN

Home Sitemap              

Danke Deutschland


von Dang Tu Dung


NuocDuc

Im Hauptsaal des Kinos Zoopalast gingen die Lichter an. Die Premiere des neuen preisgekrönten Films „Goodbye Lenin“ ist gerade zu Ende gegangen. Die Darsteller kamen nach und nach auf die Bühne, um sich vorzustellen.

Ich blieb wie die meisten Zuschauer noch sitzen und applaudierte. Hinter den Schauspielern lief der Abspann. Plötzlich machte mein Herz einen kleinen Sprung, denn ich hatte gerade meinen Namen auf der Leinwand entdeckt. Ich schaute genauer hin und verstand, dass die Filmfirma sich u.a. bei mir für die Unterstützung während der Dreharbeiten bedankte: Ich arbeitete damals als Verwaltungsbeamter bei der Straßenverkehrsbehörde in Berlin.

Zu meiner Tätigkeit gehörten Anordnungen zum Absperren von Straßen zum Zwecke des Straßenbaus oder für Filmaufnahmen. Ohne meine Unterschrift zuvor durfte man eine Straße weder voll noch teilweise absperren.

Es war zum zweiten Mal an diesem Tag, dass ich auf Grund meines Berufs tief berührt wurde. Am gleichen Morgen nämlich: Ich hatte einen Ortstermin bei einem Bauvorhaben gehabt. Dort wurde besprochen, wie der Neubau eines Gebäudes durchgeführt werden sollte. Teilgenommen hatten, neben dem Bauherrn und dem verantwortlichen Bauleiter, auch Vertreter der Straßenverkehrsbehörde und der Polizei.

Nachdem die Baupläne besprochen worden waren, stellte ich - höflich, doch bestimmt und mit einer Portion Routine - meine Forderungen zur Absperrung der Straße an den Bauherrn und die Baufirma, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Diese bedeuteten nicht unerhebliche Mehrkosten für den Bauherrn.

Nachdem ich meine Forderungen begründet und der Bauherr, ein freundlicher älterer Herr, zugestimmt hatte, wunderte ich mich, dass die mitgekommenen Polizisten, die bei Ortsterminen normalerweise meine Forderungen noch mehr verschärften, diesmal still waren. Auf dem gemeinsamen Rückweg fragte ich sie danach. Da fragten sie mich zurück, ob ich nicht in diesem Bauherrn, dem ich so strenge Auflagen erteilte, den ehemaligen Polizeipräsidenten Georg Schertz erkannt hätte.

Dieser hatte die Kollegen in den achtziger Jahren zu Polizeibeamten ernannt, daher deren respektvolle und zurückhaltende Verhandlung. Und ich, ein gebürtiger Vietnamese, durfte heute, als ich den deutschen Staat zu vertreten hatte, einem ehemaligen Polizeipräsidenten Auflagen erteilen.

Und jetzt im Zoopalast dankte man mir sogar, dass ich in meinem Amt mitgeholfen hatte, dass ein preisgekrönter Film produziert werden konnte.

In diesem Moment schloss ich meine Augen und ließ meine Gedanken in die Vergangenheit schweifen.

An einem verregneten Tag nach dem Beginn des Schuljahres 1978/ 79 stand  ein zitternder kleiner Junge dicht neben seinem 18jährigen Bruder in dem spartanisch eingerichteten Zimmer des Schuldirektors der Phan Boi Chau-Oberschule. Der ältere Bruder legte schützend seinen Arm schützen auf des Kleinen Schulter Der kleine Junge hatte Angst, da er den Grund nicht kannte, warum er zum Schuldirektor musste. Dieser  war wie viele seiner Amtskollegen außerordentlich streng. Er hatte schon viele Schüler bestraft, nur weil diese sich nicht an die neuen Regeln der kommunistischen Partei hielten. Viele der Parteigenossen konnten nicht flüssig lesen und schreiben, wurden jedoch als Schulrektoren auf Grund ihrer Verdienste und parteitreuen Einstellung eingesetzt.     

Der Ältere zog seinen Bruder enger an sich und versuchte damit, ihn zu beruhigen. Hinter einem alten Esstisch, der notdürftig zum Schreibtisch umfunktioniert worden war, denn der richtige Schreibtisch war nach dem 30.04.1975 zusammen mit den anderen teuren Möbeln weggebracht und nach drei Jahren immer noch nicht ersetzt worden, saß ein kleiner blasser Mann in schlichter Kleidung, der von den Schülern gefürchtete und gehasste Rektor. Durch den dichten Qualm der zwischen den Zähnen steckenden Zigarette richtete er die kleinen Augen auf das gerade eingetretene Brüderpaar. Mit der knöchernen rechten Hand, deren Finger durch Nikotin vergilbt waren, fächelte er den Zigarettenqualm von sich. Er machte auf andere Menschen keinen intellektuellen Eindruck, weder durch sein Aussehen noch sein Auftreten. Er stand langsam auf, nahm die Zigarette aus dem Mund und sagte mit einer triumphierenden Stimme zu dem Älteren:

„Ich gratuliere dir, mein Junge. Du bist von mehr als 1000 Schülern im Bezirk bei der Abschlussprüfung der 3. Stufe (er sagte nicht Abitur, vielleicht kannte er den Begriff nicht einmal) der Drittbeste geworden. Doch auf Grund der Tatsache, dass dein Vater Soldat der Marionettenregierung und dein Großvater Beamter des Kaisers waren, wirst du die Urkunde nicht bekommen und somit nicht studieren dürfen! Wir haben keine Studienplätze für die Kinder des Klassenfeindes.“

Der ältere Bruder biss die Zähne zusammen, damit er nicht losschimpfen konnte. Nach einer Weile sagte er mit gequälter Stimme:

„Danke, ich weiß nun, woran ich bin!“

Der Jüngere schaute mit großen Augen seinen Bruder an, dessen Gesicht vor Zorn rot angelaufen war.
Der Rektor fuhr fort:

„ … und der Kleine hier, der wird nicht soweit kommen. Für den ist es spätestens nach der 10. Klasse Schluss.“

Der kleine Junge fing an zu weinen, da er sich nicht vorstellen konnte, nur noch bis zur 10. Klasse zur Schule gehen zu dürfen.

Im Raum herrschte eine drückende Atmosphäre.

Der Rektor ging auf den älteren zu, legte eine Hand auf dessen Schulter und sagte großzügig:

„Da du ein hervorragender Schüler warst, biete ich dir eine Chance an: Du meldest dich freiwillig bei der Armee, denn wir brauchen jeden Soldaten in Kambodscha, um dem Verräter Pol Pot eine Lektion zu erteilen. Wenn du zurückkommst, bekommst du deinen Abschluss und darfst dann studieren.“


Es ist unschwer zu erkennen, dass der kleine verängstigte Junge vor mehr als 20 Jahren  ich selber war, der jetzt im Kino saß und mit einer Danksagung quasi geehrt wurde.

Seit diesem Tag quält mich die Frage, was aus mir geworden wäre, wenn mir die Flucht nicht gelungen wäre.

Für eine der Möglichkeiten war die Antwort klar: hätte ich die Flucht nicht überstanden, dann gäbe es jetzt auch nicht den Verwaltungsbeamten Dang Tu Dung.

Wäre ich von den vietnamesischen Grenzern verhaftet worden, dann hätte ich unter Berücksichtigung meiner bereits ungünstigen Familiensituation noch mehr Schwierigkeiten gehabt, meine Zukunft positiv zu gestalten, und diejenige meiner Kinder würde später auch darunter leiden. Dies habe ich bei einigen meiner Besuche in Vietnam bei meinen Verwandten und Freunden feststellen können.

Die glückliche Realität ist aber, dass mir die Flucht in die Freiheit gelungen ist. Ich erlebte alle erdenklichen Gefahren, die bei einer Flucht über diesen Teil des pazifischen Ozeans hätten entstehen könnten: ertrinken, überfallen und getötet werden von Piraten, Stürme und hohe Wellen… Ich habe alles auf mich genommen, um in die Freiheit zu kommen. Ich habe es mit kindlicher Unbekümmertheit und unbegrenztem Optimismus überstanden, im Gegensatz zu Hunderttausenden, die es nicht geschafft hatten. Hier möchte ich jedoch nicht meine Flucht im Detail wiedergeben, da diese von anderen Flüchtlingen bereits oft genug beschrieben wurde. Meine Erlebnisse waren ähnlich.

Mir ist es seit langem klar, dass ich von meiner Heimat keine Hilfe bekommen habe, ja vertrieben hat sie mich.

John F. Kennedy sagte bei seinem Amtsantritt:

„Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“

Diesem Satz stimme ich voll zu. Doch mein Vaterland hat nicht nur nichts für mich getan, sondern es hat mir sogar die Möglichkeit genommen, etwas für mein Vaterland zu tun.
Hier in Deutschland erhielt und erhalte ich alle Hilfen, damit ich überleben und mich entfalten konnte: Deutschland hat mich aus der bedrohlichen Lage im Flüchtlingscamp geholt, mir alle Bildungsmöglichkeiten geboten, um aus mir einen Menschen zu machen, der seinen Teil zur  Gesellschaft beitragen kann.

Sicher wurde ich in Deutschland während der 30 Jahre auch das eine oder andere Mal wegen meines Aussehens bzw. meiner Abstammung angefeindet. Doch es sind, im Nachhinein betrachtet,  Einzelfälle, die nicht ins Gewicht fallen und einer positiven Antwort nicht entgegen stehen dürfen, wenn man mich fragt,  wie ich das Leben in Deutschland empfinde.

Ich bin hier in Deutschland glücklich, weil die deutsche Gesellschaft mich als Mensch mit all meinen Eigenschaften akzeptiert. Noch etwas anderes imponiert mir, nämlich dass die deutsche Gesellschaft nicht versucht hat, mich zu assimilieren: Man hat von mir nur Integration erwartet, d.h. ich konnte bei einer gewissen Anpassung meine Identität weiterhin behalten und sogar pflegen.

Als ich Hilfe brauchte, habe ich sie in Deutschland erhalten. Die Liste derer, denen ich zu Dank verpflichtet bin, ist lang: Es waren die Betreuer im Hauptpflegeheim; meine erste Lehrerin in Deutschland, die mir die ersten deutschen Wörter und die Grammatikregeln beibrachte (die ich übrigens besser als die heutigen vereinfachten finde); alle danach folgende Lehrer wie Frau Graßhoff und Herr Grube, um nur einige zu nennen; meine deutschen Freunde, die ohne Vorbehalte mich in ihre Reihen aufgenommen haben…

Allen voran danke ich meiner deutschen Pflegefamilie Wagemann aus Berlin-Steglitz, denn sie hat, von den Eltern Gertrud und Hans-Günther bis hin zu den Brüdern Johannes und Friedrich, alles dafür getan, damit ich wohlbehütet und glücklich aufwachsen konnte. Sie hat mir meine fast verloren geglaubte Kindheit wieder gegeben.

All diesen Menschen haben mir aus einem einzigen Grund geholfen: MENSCHLICHKEIT Deswegen sage ich: 

DANKE DEUTSCHLAND!

 

Zurück zur Auswahl

Gewaltschutz von Frauen und Mädchen
in der vietnamesischen Community


Address:

DRK-Landesverband

Berliner Rotes Kreuz e.V.

Bundesallee 73

12161 Berlin

Tel: 030-600 300 1234


Sprechzeiten:

Freitag von 12 - 16 Uhr



Unterstüzungen

Primus-concept

Abitzcom

Recart
Druckerzubehör GmbH


Kooperationspartner:

DRK



Bundesinstitut für Risikobewertung BfR



Home - Steinick Finanz